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Was steckt hinter dem Phänomen Ghosting?

Gestern noch schwebte man im siebten Himmel, war glücklich und hatte eine unbeschwerte Zeit zusammen als Flirtpartner im Internet oder sogar im wirklichen Leben. Doch plötzlich wendet sich das Blatt und der andere macht sich rar. Hinter dieser Verhaltensweise können unterschiedliche Dating-Phänomen stecken. In dem folgenden Artikel geht es um eine der hinterhältigsten Arten, eine Beziehung zu beenden: das Ghosting.

Ghosting

Was steckt hinter dem Phänomen Ghosting? Foto: © motortion – Adobe Stock

Was ist Ghosting?

Angenommen, Sie lernen einen Single bei Instagram oder Neu.de kennen. Nach einigen persönlichen Nachrichten tauschen Sie die Handynummern aus und chatten per WhatsApp weiter. Sie spüren Schmetterlinge im Bauch und können es kaum erwarten, eine neue Mitteilung Ihres Schwarms zu lesen. Da alles bestens läuft, machen Sie sich Hoffnungen auf eine dauerhafte Beziehung. Nach einiger Zeit reagiert Ihr Gegenüber nicht mehr. Besorgte Nachfragen, ob alles in Ordnung sei, bleiben unbeantwortet. Ohne ersichtlichen Grund herrscht absolute Funkstille.

Schlimmer noch: Plötzlich werden Sie auf allen Social Media Kanälen blockiert und haben keine Möglichkeit mehr, mit Ihrem Schwarm in Kontakt zu treten. Genau das ist Ghosting. Wer zum ersten Mal eine solche Situation erlebt, kann es kaum fassen. Die meisten suchen die Schuld bei sich selbst. In Wirklichkeit hat das Verhalten jedoch nichts mit den Leidtragenden zu tun.

Was bedeutet der Ausdruck Ghosting eigentlich? Ghosting stammt von dem englischen Wort Ghost (Geist) ab. Im übertragenen Sinne löst sich jemand, der Ghosting betreibt, in Luft auf und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Dieser Trend beschränkt sich nicht nur auf die Anfangsphase des Datings im Internet. Auch Beziehungen im echten Leben werden manchmal auf diese Weise beendet. So soll sich die Schauspielerin Charlize Theron nach knapp zwei Jahren von Sean Penn getrennt haben, indem sie ohne Abschied aus der gemeinsamen Wohnung auszog und weder Anrufe noch SMS beantwortete.

Seit 2015 wird Ghosting als feststehender Begriff in dem Online-Wörterbuch und Nachschlagewerk Collins Dictionary geführt. Das Phänomen ist jedoch wesentlich älter. Früher sagte man „ich geh mal kurz Zigaretten holen“ und kam niemals wieder.

Wie häufig tritt Ghosting auf?

Mittlerweile gehört Ghosting zu einem weitverbreiteten Massenphänomen. Nach Ansicht der Hamburger Paartherapeutin Nina Zucker hat diese rücksichtslose Verhaltensweise vor allem mit dem heutigen Zeitgeist zu tun. Erfüllt der aktuelle Schwarm die Erwartungen nicht 100%ig, wartet der oder die nächste schon bei Tinder & Co.

Im Jahr 2018 führte das deutsche Online-Portal Statista eine repräsentative Umfrage durch und kam zu folgendem Ergebnis: Knapp 20 Prozent aller Deutschen wurden bereits Opfer von Ghosting. Die Kontaktbörse ElitePartner befragte im selben Jahr ihre Mitglieder zu diesem Thema. Demnach haben jede dritte Frau (36 Prozent) und jeder fünfte Mann (21 Prozent) schon einmal eine Online-Beziehung mit Ghosting beendet.

Aber warum wird so häufig geghostet?

Heutzutage sind viele Leute nicht mehr bereit, an ihrer Beziehung zu arbeiten. Die Therapeutin Nina Zucker gibt dafür folgende Gründe an: „Es ist unpopulär geworden, Konflikte auszuhalten. Idealerweise sollen Partnerschaften nicht anstrengend und schwierig sein. Sind sie es doch, ergreift man die Flucht.“ Die Anonymität im Internet macht es leicht, ohne Abschied aus dem Leben eines anderen zu verschwinden.

Psychologen nennen fünf Hauptgründe für Ghosting:

1. Das Interesse an seinem Flirtpartner lässt nach

Anfangs ist man Feuer und Flamme und freut sich über jede Nachricht der neuen Internetbekanntschaft. Mehrmals am Tag gehen Mitteilungen hin und her. Man bemüht sich, den anderen zu beeindrucken. Nach einigen Telefongesprächen und Video-Chats kommt es zum lang ersehnten ersten Date. Obwohl das Treffen harmonisch verläuft, springt bei einem der beiden der Funke nicht über. Anstatt beim nächsten Chats die Wahrheit zu sagen, meldet sich der Ghoster nicht mehr.

Denn er hofft, dass der andere dadurch auch das Interesse verliert. Aber warum so eine feige Vorgehensweise? Weil es einfach ist. Ganz bequem vom eigenen Sofa aus lassen sich schnell sämtliche Kontaktmöglichkeiten blockieren. Hinzu kommt, dass Ghosting der modernen Online-Mentalität entspricht. Wenn man kein Interesse an einer Person hat, wischt man bei Dating-Apps wie Tinder das Profilbild einfach weg. Dadurch wird die Hemmschwelle stark herabgesetzt, es im echten Leben genauso zu machen und den Kontakt ohne eine Erklärung abzubrechen.

2. Man weicht Konfrontationen aus

Nicht selten empfinden die Täter Scham und fürchten sich vor einem klärenden Gespräch, bei dem sie ihrem Chatpartner die Gründe für die Trennung darlegen müssen. Da sie Reaktionen wie Enttäuschung oder Wut nicht aushalten, vermeiden sie eine direkte Konfrontation. Denn es ist weniger Stress verbunden, sich wortlos aus dem Staub zu machen. Zudem vermeidet man eigene Schuldgefühle, wenn der andere in Tränen ausbricht. Die Täter reden sich ein, ihr Handeln sei vollkommen in Ordnung, weil es zu keinem Streit kommt, bei dem sie ihr Gegenüber noch mehr verletzen.

Ghosting dient vielen Partnersuchenden somit als Strategie zur Konfliktvermeidung. In der Anfangsphase einer Internetbeziehung erwartet jedoch niemand ein persönliches Gespräch. Es genügt völlig, eine Nachricht zu schicken, wie: „Sei mir nicht böse, aber das wird leider nichts mit uns. Ich wünsche Dir alles Gute.“ Wenn bereits Dates stattgefunden haben, schuldet man allerdings dem anderen mindestens ein Telefonat zum Abschied.

3. Ghoster leiden häufig unter Bindungsängsten

Eine ausgeprägte Bindungsangst kommt ebenfalls als Ursache von Ghosting infrage. Wenn jemand einige Zeit Single war und dann eine andere Person in sein Leben lässt, kann ihm die Nähe schnell zu viel werden. Er fühlt sich in die Enge getrieben und zieht irgendwann die Reißleine. Menschen mit Bindungsängsten stecken in einem Gefühlschaos und wissen nicht, wie sie das Ganze ihrem Flirtpartner erklären sollen. Aus ihrer Sicht ist es das Beste, sich nicht mehr beim anderen zu melden.

Die Wurzeln der Bindungsangst liegen zumeist in der frühen Kindheit. Wer in seiner Familie nicht lernt, mit Konflikten umzugehen, hat oft in seinem Erwachsenenleben Angst vor Auseinandersetzungen. Bewusst oder unbewusst vermeidet er deshalb jede Art von Meinungsverschiedenheit. Anstatt weiterhin vergeblich nach einem Partner zu suchen, sollten bindungsängstliche Personen lieber die Hilfe eines Psychotherapeuten in Anspruch nehmen.

4. Es war von Anfang an nichts Ernsthaftes

Nicht jeder füllt sein Profil auf Singlebörsen oder in den sozialen Netzwerken wahrheitsgemäß aus. Manche Singles tun so, als wollten sie eine feste Beziehung eingehen. Tatsächlich halten sie jedoch nach einem sexuellen Abenteuer Ausschau. Hat man sein Ziel erreicht, erlischt schnell das Interesse. Wenig überraschend kommt es laut ElitePartner sehr häufig nach dem ersten Sex zum Ghosting.

In unserer heutigen Zeit ist die nächste potenzielle Affäre nur einen Klick entfernt. Was liegt da näher, als sich nach der heißen Nacht nicht mehr zu melden. Denn wie will man dem hintergangenen Flirtpartner sein Verhalten erklären? „Es tut mir leid, aber ich habe Dir etwas vorgemacht, um Dich ins Bett zu kriegen.“ So viel Ehrlichkeit erfordert eine gehörige Portion Selbstbewusstsein. Und genau daran hapert es bei vielen Ghostern.

5. Fotos und Profilangaben stimmen nicht mit der Realität überein

Papier ist geduldig. Dieses alte Sprichwort gilt in besonderem Maße für das Online-Dating. Wer hat noch nie ein älteres Foto auf seinem Mitgliederprofil hochgeladen, weil darauf die Persönlichkeit viel besser zur Geltung kommt? Kleine Schummeleien sind menschlich und werden in den meisten Fällen verziehen. Manche Singles gehen jedoch so weit, eine ganz neue Identität zu erfinden. Da macht man sich als Mann zehn Zentimeter größer, weil viele Frauen nach einem Partner über 1,80 m suchen.

Aus der untersetzten Couch-Potato wird ein Extremsportler, der auf Freeclimbing, Tauchen und Bungee-Jumping steht. Wenn sich der Flirt bestens entwickelt und das erste Date ansteht, droht das Ganze aufzufliegen. Da bleibt nur die Flucht, um sich Vorwürfe und peinliche Fragen zu ersparen.

Psychologische Folgen von Ghosting

Menschen, die geghostet werden, leiden sehr unter dem plötzlichen Kontaktabbruch. Man ist tief verunsichert, die eigene Wahrnehmung und das Selbstbewusstsein sind getrübt. Alles lief doch so harmonisch, warum verhält sich mein Internet-Schwarm so? Liegt es an mir? Habe ich zu sehr geklammert und ihn dadurch in die Flucht geschlagen? Bin ich es nicht wert, geliebt zu werden? Selbstzweifel wie diese können die Betroffenen traumatisieren.

Nach Aussage von Michael Linden, dem Leiter der Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité in Berlin, kommt es als Folge des Ghostings nicht selten zu einer Posttraumatischen Verbitterungsstörung. Diese Krankheit ist gekennzeichnet durch ein Gefühl der Verbitterung, Stimmungsschwankungen, Aggressivität gegenüber anderen oder sich selbst, Rachefantasien sowie weitere psychische Auffälligkeiten. Manche Ghosting-Opfer meiden soziale Kontakte und trauen sich nicht mehr, eine neue Beziehung einzugehen.

Für die ZDF-Reportagereihe „37 Grad“ ging die Journalistin und Buchautorin Tina Soliman gemeinsam mit dem Kameramann Torsten Lapp diesem fiesen Dating-Trend auf den Grund. In dem bewegenden Film kommen mehrere Frauen zu Wort und erzählen von ihren Erlebnissen. Demnach stellt Ghosting die verletzendste Form dar, einen anderen Menschen loszuwerden. Eine Betroffene äußert sich folgendermaßen: „Das hat niemand verdient, einfach weggeworfen, entsorgt zu werden.“ Wer auf dieses Weise verlassen wird, leidet nicht selten noch Monate lang.

Aber weshalb verletzt Ghosting so sehr? Für die Opfer platzt ganz plötzlich ein Traum. Man hatte täglich Kontakt zu seinem Schwarm, fühlte sich sicher und blickte hoffnungsvoll in die Zukunft. Das Schlimmste jedoch ist die Respektlosigkeit, die so weh tut. Ein Mensch, dem man vertraut, verschwindet einfach und verabschiedet sich nicht einmal.

Wie reagiert man am besten auf Ghosting in der Dating Phase?

Viele Leser fragen sich sicherlich an dieser Stelle: Was soll ich tun, wenn ich das Opfer von Ghosting geworden bin? Anfangs realisieren die meisten gar nicht, dass sie von ihrem netten und aufmerksamen Freund plötzlich geghostet werden. Man versucht alles, um den anderen zu erreichen. Denn es könnte ihm oder ihr etwas passiert sein. Diese quälende Ungewissheit lässt die eigenen Gedanken andauernd kreisen. Irgendwann wird den Betroffenen klar, dass ihr Flirtpartner bewusst auf diese Weise den Kontakt abgebrochen hat.

Aber wie geht es nach dem Ghosting weiter? Auf keinen Fall sollten Sie verzweifelt nach Gründen suchen und sich selbst die Schuld geben. Wenn tatsächlich ein Fehlverhalten zur Trennung führte, ist es das mindeste, in einer letzten Mitteilung seinen Chatpartner darauf hinzuweisen. Nur so hat man die Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen. Die Täter scheren sich nicht darum, ob sie ihre Opfer traumatisieren. Deshalb sollte man als Leidtragender für sich einen Schlussstrich ziehen.

Falls Sie noch nicht blockiert wurden, können Sie dem Ghoster eine abschließende Nachricht zuschicken. Sagen Sie ihm, dass Sie sehr enttäuscht sind und ein derart feiges Verhalten nicht verdient haben. Drehen Sie den Spieß um und schreiben Sie etwas wie: Ich bin froh, dass Du endlich Dein wahres Gesicht zeigst, bevor ich noch mehr Gefühle in eine sinnlose Beziehung investiere. Hiermit beende ich unsere Freundschaft und werde mich nie wieder bei Dir melden. Ab sofort bist Du auf allen meinen Social Media Kanälen blockiert.

Mit dieser Nachricht gibt es kein Zurück mehr und Sie können sich mit etwas Abstand nach einem Partner umsehen, der Ihnen echte Wertschätzung entgegenbringt. Aber auch dann, wenn Sie keine Kontaktmöglichkeiten mehr haben, sollten Sie ein Schlusswort an den Ghoster richten. Selbstverständlich wird er die Mitteilung nie erhalten. Es geht nur darum, sich endgültig von dieser Person zu lösen, damit sich Ihre Gedanken nicht mehr um ihn drehen. Außerdem verhindern Sie durch ein Blockieren in den sozialen Netzwerken, dass sich der „Geist“ nach einiger Zeit wieder in Erinnerung ruft.

Mit Ghosting endet der Dating-Trend nämlich nicht unbedingt. Immer mehr Ghoster tauchen plötzlich wieder im Leben ihrer Opfer auf. Sie beobachten den ehemaligen Schwarm aus der Entfernung und hinterlassen Spuren, an denen man ihre Aktivitäten bei Instagram oder Facebook erkennt. Diese Masche nennt sich Orbiting. Noch dreister ist das sogenannte Zombieing. In diesem Fall kommt es zu einer Auferstehung des Ghosters, der sich unvermittelt meldet, als sei gar nichts geschehen.

Und schon schöpfen die Betroffenen neue Hoffnung auf ein Happy End und der Teufelskreis aus Ghosting, Orbiting und Zombieing beginnt von Neuem. Damit das nicht passiert, sollten Sie solche Leute rigoros blockieren. Wenn sich jemand derart rücksichtslos verhält, hat er keine zweite Chance verdient.

In den folgenden Artikeln wird genau erklärt, wie man jemanden von den eigenen Kanälen ausschließen kann:

Hinweis: Wer mit diesen Tipps nicht über die Kränkung durch den Ghoster hinwegkommt, wendet sich am besten an einen Psychologen. Falls eine Posttraumatische Verbitterungsstörung vorliegt, geht sie meistens nicht von selbst wieder weg.

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